Die Selbstanzeige im Steuerrecht: Chance, Risiken und warum anwaltlicher Rat unverzichtbar ist
Wer in Österreich steuerlich unrichtige Angaben gemacht hat oder Abgaben nicht ordnungsgemäß entrichtet hat, sieht sich rasch mit dem Vorwurf eines Finanzvergehens konfrontiert. In solchen Fällen bietet die Selbstanzeige nach § 29 FinStrG eine Möglichkeit, einer Strafe zu entgehen – allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Die Selbstanzeige ist ein rechtlich scharfes Schwert – aber auch eines mit Tücken, die ernst genommen werden müssen.
Besonders im Vorfeld von Betriebsprüfungen ist das Thema hochaktuell. Wird eine Prüfung angekündigt, steigt das Entdeckungsrisiko erheblich. In dieser Phase ist es ratsam, gemeinsam mit einem Steuerberater oder einem spezialisierten Rechtsanwalt vergangene Sachverhalte kritisch zu prüfen. Kommt dabei ein Fehler ans Licht, muss umgehend geklärt werden, ob eine Selbstanzeige erstattet werden kann – unabhängig davon, ob der steuerliche Vertreter damals in die Abwicklung involviert war.
Wann ist eine Selbstanzeige wirksam?
Damit eine Selbstanzeige in Österreich strafbefreiend wirkt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
- Rechtzeitigkeit: Die Anzeige muss vor Beginn finanzstrafrechtlicher Ermittlungen oder vor dem tatsächlichen Zugriff der Finanzbehörde erfolgen.
- Vollständigkeit: Alle relevanten Abgabenarten und Zeiträume müssen offengelegt werden.
- Nachzahlung: Die hinterzogenen Beträge müssen samt Zinsen innerhalb einer kurzen Frist entrichtet werden.
Fehlt eine dieser Bedingungen, entfällt die Strafbefreiung – trotz gutem Willen.
Typische Fehler: Warum Selbstanzeigen oft scheitern
Ein häufiger Irrtum ist der Glaube, dass auch nach Beginn einer Prüfung noch Zeit für eine Selbstanzeige sei. Tatsächlich ist bereits die Anforderung von Unterlagen durch das Finanzamt ein kritischer Punkt. Besonders bei vorsätzlichen Finanzvergehen ist dann eine strafbefreiende Wirkung nicht mehr möglich. Hinzu kommen Abgabenzuschläge zwischen 5 % und 30 %, wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt – selbst bei wirksamer Selbstanzeige.
Zudem darf nicht vergessen werden: Eine Selbstanzeige ist nur einmal pro Abgabenart und Zeitraum möglich. Wer also schon einmal eine solche Anzeige erstattet hat (z. B. für Umsatzsteuer 2021), kann diesen Schritt nicht einfach wiederholen.
Auch ohne Strafbefreiung kann sich eine Selbstanzeige lohnen
Selbst wenn es für eine strafbefreiende Wirkung zu spät ist, kann eine Selbstanzeige dennoch strafmildernd wirken – etwa als Geständnis oder als Ausdruck tätiger Reue. Das gilt insbesondere, wenn zusätzlich andere Straftatbestände wie etwa Untreue (§ 153 StGB) betroffen sind. In solchen Fällen kann anwaltliche Beratung klären, ob und wie eine nachträgliche Sanierung strafrechtlich sinnvoll gestaltet werden kann.
Warum anwaltlicher Rat entscheidend ist
Viele Mandanten vertrauen allein auf ihren Steuerberater. Doch im Strafrecht gelten andere Spielregeln. Gerade im Fall von Selbstanzeigen ist eine rechtliche Bewertung unerlässlich: Wurde bereits ermittelt? Bestehen Risiken außerhalb des Finanzstrafrechts? Wie ist der Verschuldensgrad zu bewerten?
Wird trotz Selbstanzeige ein Strafverfahren eingeleitet, zeigt sich außerdem, dass der laufende Steuerberater nicht gleichzeitig Verteidiger sein sollte. Oft geraten diese selbst in den Fokus – etwa wenn behauptet wird, sie hätten eine fehlerhafte Gestaltung empfohlen. In solchen Fällen ist ein klarer Rollenwechsel notwendig: Der Steuerberater als Zeuge, der Rechtsanwalt als Verteidiger.
Fazit: Selbstanzeige – eine Maßnahme mit Potenzial, aber nur bei professioneller Umsetzung
Die Selbstanzeige im Steuerrecht ist ein effektives Mittel, um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden – vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig, vollständig und korrekt gestellt. Aufgrund der hohen rechtlichen Anforderungen ist es dringend zu empfehlen, eine Selbstanzeige niemals ohne rechtliche Beratung zu erstatten. Denn was als Rettungsanker gedacht war, kann bei falscher Handhabung schnell zum Bumerang werden.