Untersuchungshaft in Österreich: Was tun bei Festnahme? Rechte, Alternativen und Rechtsschutz

Wird jemand in Österreich festgenommen und in Untersuchungshaft genommen, stellt das einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit dar – noch bevor überhaupt ein Strafgericht über Schuld oder Unschuld entschieden hat. Die Betroffenen befinden sich in einer emotional extrem belastenden Situation, in der überhastete Entscheidungen oder Aussagen langfristige Folgen haben können. Gerade in dieser frühen Phase des Ermittlungsverfahrens ist die Beiziehung eines Strafverteidigers von größter Bedeutung.

In diesem Beitrag erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen Untersuchungshaft verhängt werden, darf, welche milderen Alternativen möglich sind – und vor allem, welche rechtlichen Schutzmechanismen es gibt, um gegen eine ungerechtfertigte Freiheitsentziehung vorzugehen.

Der kritische Moment: Die erste polizeiliche Einvernahme

Aus anwaltlicher Erfahrung ist klar: Der entscheidende Moment im Strafverfahren ist oft nicht das spätere Gerichtsverfahren, sondern die erste polizeiliche Einvernahme. Nach einer Festnahme durch die Kriminalpolizei befindet sich der Beschuldigte in einer enormen Drucksituation. Die persönliche Freiheit ist entzogen, die Umgebung ungewohnt, die Situation beängstigend.

In dieser psychisch belastenden Lage ist die Versuchung groß, durch eine Aussage vermeintlich „zu helfen“. Hinzu kommt das professionelle Einwirken der Vernehmungsorgane, das oftmals dazu führt, dass Beschuldigte Geständnisse ablegen, die über das hinausgehen, was ihnen ursprünglich vorgeworfen wurde. Nicht selten bekennen sich Betroffene zu Tathandlungen, zu denen die Ermittlungsbehörden vorher gar keinen konkreten Ansatz hatten – mit möglicherweise fatalen Folgen.

Wann darf Untersuchungshaft in Österreich angeordnet werden?

Nach § 173 StPO darf Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn ein sogenannter dringender Tatverdacht besteht – also, wenn aufgrund der Beweislage ein Schuldspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Darüber hinaus muss zumindest ein gesetzlich anerkannter Haftgrund vorliegen: etwa Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Tatbegehungs- und oder Tatausführungsgefahr.

Doch selbst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Verhängung von Untersuchungshaft nicht automatisch gerechtfertigt. Denn das Gesetz verlangt ausdrücklich eine Prüfung, ob der Zweck der Haft nicht auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann. Dazu zählen unter anderem die Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung bei der Polizei, das Abgeben des Reisepasses, Kontaktverbote, Aufenthaltsauflagen, Therapieauflagen oder auch die Stellung einer Kaution.

Im Ermittlungsverfahren entscheidet der Haft- und Rechtsschutzrichter, und zwar innerhalb von 48 Stunden nach der Einlieferung des Beschuldigten nach dessen Vernehmung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft.

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten gibt es?

Gegen die Anordnung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft stehen dem Beschuldigten mehrere Rechtsmittel und Schutzmechanismen zur Verfügung:

  1. Beschwerde gegen den Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft

Wird Untersuchungshaft verhängt, kann der Beschuldigte dagegen innerhalb von 14 Tagen Beschwerde beim Oberlandesgericht einbringen (bei Fortsetzung der Haft beträgt die Frist nur 3 Tage). Das Oberlandesgericht überprüft dabei alle Voraussetzungen der Haft erneut, einschließlich der Angemessenheit und der Prüfung gelinderer Mittel. Es ist dabei nicht an die Argumentation des Erstgerichts gebunden und kann auch selbst einen neuen – inhaltlich eigenständigen – Haftbeschluss fassen.

  1. Enthaftungsantrag

Ein weiterer zentraler Rechtsschutz ist der jederzeit mögliche Antrag auf Enthaftung. Dieser kann eingebracht werden, wenn sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat oder wenn der Haftzweck inzwischen durch gelindere Mittel erreicht werden kann. Wird dem Antrag nicht entsprochen, muss das Gericht eine Haftverhandlung anberaumen, bei der erneut über die Haft entschieden wird. Diese Verhandlung muss kurzfristig erfolgen und bietet eine wichtige Möglichkeit zur Intervention durch den Verteidiger.

  1. Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof

Wenn sich ein Beschuldigter in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt sieht, kann er – nach Ausschöpfung des ordentlichen Instanzenzugs – eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof (OGH) richten. Diese kann insbesondere bei willkürlicher oder rechtswidriger Haftanordnung, verspäteter Entlassung oder unzureichender gerichtlicher Prüfung eingebracht werden. Zwar hat die Grundrechtsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung, sie ist aber ein wichtiges Instrument zur nachträglichen Korrektur grober Verfahrensfehler.

Fazit: Untersuchungshaft ist nicht alternativlos

Auch wenn der Freiheitsentzug im Strafverfahren ein starkes Signal ist, bedeutet das nicht, dass der Beschuldigte rechtlos ist. Im Gegenteil: Die Strafprozessordnung bietet klare Schutzmechanismen, und ein erfahrener Strafverteidiger kann in vielen Fällen durch geschickte Anträge und Verhandlungen eine Vermeidung der Haft oder Entlassung aus der Haft erreichen – etwa durch Vorschläge gelinderer Mittel.

Deshalb gilt: Wer von einer Festnahme oder drohenden Untersuchungshaft betroffen ist, sollte sofort rechtliche Hilfe organisieren. Eine frühzeitige Intervention ist oft der Schlüssel zur Freiheit – und zur Sicherung einer erfolgreichen Verteidigungsstrategie.

 

ZURÜCK ZU HERRN MAG. MARTIN HÖFLER, MSC


Mag. Martin Höfler, MSc
Rechtsanwalt
Kanzlei Graz
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