ElWG-Entwurf ist in Begutachtung

Letzte Woche wurde das ElWG-Paket nach langem Warten in Begutachtung geschickt. Mit dem Entwurf für das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) sollen die gesetzlichen Grundlagen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft an den veränderten Strommarkt angepasst werden.

Seit 12.1.2024 befindet sich der Ministerialentwurf zum ElWG-Paket (ME ElWG-Paket, 310/ME 27. GP, abrufbar hier) in Begutachtung. Mit diesem soll nicht nur die
Elektrizitätsbinnenmarkt-RL (EU) 2019/944 (EBRL 2019) vollständig umgesetzt werden,
sondern ist auch vorgesehen, die bislang bestehende Zweiteilung in Bundesgesetz und Landesausführungsgesetz weitgehend zu beseitigen.

Das ElWG-Paket setzt sich zusammen aus

  1. dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG), das das veraltete Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) ablösen soll,
  2. dem neuen Energiearmuts-Definitions-Gesetz (EnDG), und
  3. der Änderung des Energie-Control-Gesetzes (E-ControlG).

Übersicht über die Änderungen

Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG)
  1. Überarbeitung der Bestimmungen über Regelblock/Regelzone und Bilanzgruppen;
  2. Erweiterung der Endkundenrechte, zB durch umfassende Informationspflichten, ein Recht auf Aggregierungsverträge, neue Regeln für Abnahmeverträge und ein Recht auf Nutzung eines Vorauszahlungszählers;
  3. Anpassungen betreffend die Änderung von Allgemeinen Lieferbedingungen und Entgelten, die bisher in § 80 ElWOG 2010 zu finden waren und Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten sind;
  4. Einführung von Peer-to-Peer-Verträgen, mit denen Endkundinnen und Endkunden ihren eigenerzeugten Strom über das öffentliche Netz an andere Endkundinnen und Endkunden verkaufen können;
  5. Erweiterung des Anwendungsbereichs von Direktleitungen; In diesem Zusammenhang soll auch die Überschusseinspeisung durch Dritte elektrizitätsrechtlich abgesichert werden;
  6. Neue Bestimmungen zu intelligenten Messgeräten („Smart Meter“);
  7. Einführung des Begriffs des Eigenversorgers, die oder der hinter dem Zählpunkt für ihre oder seine Eigenversorgung erneuerbare Elektrizität erzeugt und eigenerzeugte erneuerbare Elektrizität speichern oder verkaufen darf;
  8. Klarstellung, dass Energiespeicheranlagen gemeinsam mit gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen betrieben werden können;
  9. Möglichkeit des Betriebs mehrerer lokaler oder regionaler Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften durch eine Trägergesellschaft bzw einen Trägerverein;
  10. Vereinfachungen für Energiegemeinschaften, die durch ihre Mitglieder bevollmächtigt werden können und die Bevollmächtigung künftig gegenüber dem Netzbetreiber glaubhaft machen müssen; Klarstellung, dass die Betriebs- und Verfügungsgewalt bei Anlagen, die von Eigenversorgern betrieben werden, nicht auf die Energiegemeinschaft übertragen werden muss;
  11. Regelung der Voraussetzungen für den Betrieb von Energiespeicheranlagen durch Netzbetreiber;
  12. Ausweitung der Allgemeinen Anschlusspflicht auf Betreiber von Energiespeicheranlagen;
  13. Festlegung der Allgemeinen Netzbedingungen für das Verteilernetz durch Verordnung der Regulierungsbehörde und Einführung neuer Pflichten für Netzbetreiber, zB die Pflicht zur Einrichtung einer gemeinsamen Internetplattform durch Verteilernetzbetreiber, auf der die gültigen Allgemeinen Netzbedingungen für das Verteilernetz, die verfügbaren und gebuchten Netzanschlusskapazitäten und die geltenden Systemnutzungsentgelte zu veröffentlichen sind;
  14. Möglichkeit des flexiblen Netzzugangs für Einspeiser und Regelung von virtuellen Zählpunkten zur Erfassung für Erzeugungsmengen;
  15. Einführung von geschlossenen Verteilernetzen, welche einer geschlossenen Benutzergruppe und nicht der öffentlichen Versorgung dienen;
  16. Änderungen bei Systemnutzungsentgelten, zB durch Zusammenführung des bisherigen Netzzutrittsentgelts und des Netzbereitstellungsentgelts zu einem neuen Netzanschlussentgelt und durch Einführung ein Regelleistungs- und eines Bilanzgruppenkoordinationsentgelts;
  17. Anpassungen bei den Bestimmungen zu Flexibilitätsleistungen;
  18. Änderungen bei Verstößen gegen die VO (EU) 1227/2011 (REMIT), insbesondere wird der Strafrahmen angepasst und die Zuständigkeit für Sanktionen gegen Verstöße der REMIT an die E-Control übertragen.

Energiearmuts-Definitions-Gesetz (EnDG)

Das EnDG legt für die statistische Erfassung eine Definition von Energiearmut und Indikatoren für Energiearmut fest, definiert Zielgruppen für Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut und für Förderungen im Bereich klimarelevanter Investitionen und regelt die Zuständigkeit und das Verfahren zur Feststellung der Förderungswürdigkeit.

Änderung des Energie-Control-Gesetzes (E-ControlG)

Die Änderungen des E-ControlG sind vorwiegend redaktioneller Natur bzw dienen der Anpassung an die neuen Vorschriften. Daneben sollen unter anderem die Bestimmungen über die Verfahrensregeln der Regulierungsbehörde ergänzt
und eine Taskforce zur Beratung der Regulierungsbehörde in allgemeinen konsumentenschutzrechtlichen Fragen eingerichtet werden.

Kurze Einschätzung zu ausgewählten Punkten des Entwurfs

Der Ministerialentwurf zum ElWG-Paket enthält zahlreiche wesentliche Neuregelungen, Änderungen und Klarstellungen, die durchaus das Potential haben, zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele beizutragen. Dabei sollen insbesondere die Möglichkeiten der dezentralen Energieversorgung und der aktiven Teilnahme der Kunden am Strommarkt verbessert werden.

Durch die Möglichkeit des lange geforderten flexiblen Netzzugangs soll der schnelle Anschluss von Erzeugungsanlagen auch dann sichergestellt werden, wenn der Netzbetreiber die beantragte Leistung nicht in vollem Umfang gewähren kann. Der Netzbetreiber kann in diesen Fällen eine maximale netzwirksame Leistung statisch oder dynamisch (zB tageszeitabhängig) vorsehen. Da das ElWG die Möglichkeit des flexiblen Netzzugangs abhängig von der Netzebene befristet, sind die Netzbetreiber dennoch zur Vornahme der erforderlichen Netzausbaumaßnahmen verpflichtet.

Ein wesentliches Hindernis für den Betrieb von Direktleitungen lag bisher in der Judikatur des VwGH (VwGH 4.3.2008, 2007/05/0243) gegründet, nach der es zu keinem unmittelbaren und direkten Stromaustausch zwischen der Direktleitung und dem öffentlichen Netz kommen darf. Das ElWG sieht nunmehr vor, dass die Direktleitung auch zum Transport elektrischer Energie verwendet werden darf, die für den Eigenbedarf der Erzeugungsanlage aus dem öffentlichen Netz bezogen und durch die Direktleitung in das öffentliche Netz eingespeist wird. Voraussetzung dafür ist, dass die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um Ringflüsse zu verhindern.

Künftig sollen Lieferanten, die mehr als 50 000 Zählpunkte beliefern, dazu verpflichtet werden, Lieferverträge mit dynamischen Energiepreisen anzubieten. Dabei soll es sich um Lieferverträge handeln, „die Preisschwankungen auf den Spotmärkten, einschließlich der Day-Ahead- und Intraday-Märkte, in Intervallen widerspiegelt, die mindestens den Abrechnungsintervallen des jeweiligen Marktes entsprechen“ (§ 6 Abs 1 Z 84 ElWG-Entwurf). In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob diese Definition beibehalten, oder die mit BGBl I 2023/145 in § 80 Abs 4a ElWOG 2010 eingeführte Definition („Lieferverträge […], welche die Preisschwankungen der Großhandelspreise widerspiegeln [Spotmarkt-Produkt oder andere Produkte mit automatischer Preisänderung]“) übernommen wird.

Peer-to-Peer-Verträge werden die dezentrale Stromversorgung erleichtern. Der Abschluss derartiger Verträge war bisher nicht möglich, ohne als Lieferant zu gelten und den damit verbundenen umfassenden Pflichten zu unterliegen. Der Austausch von Strom im Rahmen von Peer-to-Peer Verträgen begründet nach dem ElWG-Entwurf jedoch ausdrücklich keine Lieferung.

Es wird ein Diskriminierungsverbot für Lieferanten gegenüber jenen Endkunden eingeführt, die als Eigenversorger tätig sind, Peer-to-Peer Verträge abschließen oder an gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen oder Energiegemeinschaften teilnehmen. Die Festlegung einer Mindeststromliefermenge wird ausdrücklich untersagt. Die Weiterverrechnung von Kosten, die durch einen tatsächlich erhöhten Aufwand beim Lieferanten entstehen (zB bei der Rechnungslegung), soll jedoch zulässig sein.

Bei den Anpassungen betreffend die Änderungen der Allgemeinen Lieferbedingungen und der Entgelte bestehen trotz der adaptierten Regelung zahlreiche Unsicherheiten. Weiterhin bleibt unklar, ob es sich um ein gesetzliches Änderungsrecht handelt oder welche „maßgebenden Umstände“ bei der Preisänderung herangezogen werden können. Ebenso wenig wurde klargestellt, dass Produkte mit vertraglich vereinbarten Preisgleitklauseln nicht von der Bestimmung erfasst sind.

Bei den oben dargestellten Änderungen handelt es sich nur um einen geringen Ausschnitt der umfassenden Regelungen des ElWG-Entwurfes. Mit dem Begutachtungsstart wurde auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der ein neues Modell der Grundversorgung erarbeitet und Weiterentwicklungen bei den Vorgaben für die Änderung von Preisen durch die Stromversorger diskutiert werden sollen. Es bleibt daher abzuwarten, welche Änderungen und Ergänzungen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens am Entwurf vorgenommen werden.


Ansprechpartner

Dr. Peter Ivankovics, M.A., LL.M.
Rechtsanwalt
Kanzlei Graz
Tel.: +43-50-8060-243
p.ivankovics@hba.at
Mag. Dominik Weber
Rechtsanwaltsanwärter
Kanzlei Graz
Tel.: +43-50-8060-267
d.weber@hba.at
Cookies